Eier aus einer niederbayerischen Hühnerfarm sollen im vergangenen Jahr für den Ausbruch einer europaweiten Salmonellen-Infektion verantwortlich sein. Die zuständigen bayerischen Behörden sollen zur Aufklärung des Falls allerdings wenig beigetragen haben. Das haben monatelange Recherchen der “Süddeutschen Zeitung” und des BR-Politikmagazins “Kontrovers” ergeben, die die Salmonellenwelle des letzten Jahres noch einmal rückverfolgten. Am 20.05.2015 wurde in der Sendung “Kontrovers” in der Reportage “Die Story: Salmonellenausbruch – Die Spur führt nach Niederbayern” darüber berichtet:
Etwa 500 Menschen erkrankten im Sommer 2014 in Europa an Salmonellen der Gattung Salmonella Enteritidis. Sie litten an Durchfall, Erbrechen – zwei Menschen starben sogar an dem Erreger. Betroffen waren Menschen in England, Frankreich, Luxemburg, Österreich und Deutschland.
In fast allen Landesteilen Österreichs traten Salmonellenerkrankungen auf. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit untersuchte 152 Krankheitsfälle und konnte einen gemeinsamen Ursprung feststellen.
In England infizierten sich 287 Menschen mit Salmonellen mit dem gleichen oder ähnlichen Erregerstamm, wie die englischen Behörden herausfanden. Sie stellten auch einen fast identischen genetischen Fingerabdruck der Salmonellen aus Frankreich, Österreich und England fest und konnten eine gemeinsame Quelle ausmachen. Die Bevölkerung wurde über die Presse umgehend gewarnt.
Die französischen Behörden reagierten auf die Salmonellen-Krankheitswelle prompt und starteten einen Hilferuf über das Europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel mit dem Betreff “Outbreak”. Es sollen mit Salmonellen infizierte Eier im Umlauf sein. Anhand des Codes auf den Eiern konnte die Firma “Bayern Ei” mit Standort Edling in Niederbayern als Quelle schnell ausfündig gemacht werden. Auch die Österreicher fanden die Quelle für ihre Salmonellenerkrankungen heraus, ebenfalls eine Hühnerfarm der “Bayern Ei”.
Eine Statistik des Robert-Koch Instituts belegt, dass auch die Zahl der Salmonellenerkrankungen des Types Salmonella Enteritidis in Niederbayern zu der Zeit ebenfalls gestiegen war. Ein statistischer Ausreißer, wie es vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingestuft wurde.
Während die bayerischen Behörden in dieser Angelegenheit nur träge und nach Anfrage der ausländischen Behörden reagierten, untersuchten zwischenzeitlich die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC, die Efsa (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und die EU-Kommission den Fall. Die Efsa kommentierte, dass die Eier trotz strenger Regeln überhaupt auf den Markt kommen konnten, wäre bemerkenswert.
Inhaber der „Bayern Ei“ ist der in der Tierschutzszene stark umstrittene Stefan Pohlmann, der, wie auch sein Vater, schon mehrfach wegen zahlreichen Verstößen gegen Tierschutzrechte und Verbraucherschutz aufgefallen war. An vier Standorte hält er über 1 Mio Hühner. Gründer der „Bayern Ei“ ist der Vater Anton Pohlmann. Er wurde bereits mit verschiedenen Skandalen in Verbindung gebracht, wie Verfälschung der Haltbarkeitsdaten auf den Eiern, Vergasung von Hühnern mit Kohlenmonoxid oder das Halten von Hennen in zu engen Käfigen.
1996 standen Vater und Sohn vor Gericht, weil sie im Stall hochgiftiges Nikotin versprühen ließen. Der Vater nahm die Schuld auf sich, bekam Berufsverbot, weil er charakterlich ungeeignet sei, der Sohn kam mit einem blauen Auge davon. Gegen eine Geldbuße von DM 100.000 wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.
Die ‘”Pohlmänner” sind also kein unbeschriebenes Blatt. Für die Reporter umso fragwürdiger, dass die Behörden nicht schon beim ersten Hinweis auf einen Salmonellenausbruch im Hühnerbetrieb vehement eingeschritten haben. Das Landratsamt Dingolfing-Landau soll nämlich schon vor der Krankheitswelle hohe Salmonellenkonzentrationen des Types Salmonella Enteritidis auf den Eierschalen des Edlinger Betriebes der „Bayern Ei“. registriert haben und sich für die Auswertung einer Zweitprobe 6 Wochen Zeit gelassen haben. Derweil produzierte der Betrieb mit seinen ca. halben Mio. Hühnern fleißig Eier und brachte sie in Umlauf: 300.000 Stück am Tag.
Auch bei der zweiten Probe stellte das Landratsamt auf den Schalen den Salmonellenstamm S. Enteritidis fest, und es wurde offenbar weder die Einstellung der Eierproduktion angeordnet, noch die Öffentlichkeit informiert.
Nach Ausbruch der zweiten Salmonellen-Welle soll das Landratsamt mit Pohlmann gesprochen haben. Die Vorlage betriebseigener Listen sollte einen keimfreien Stall dokumentieren, womit sich das Landratsamt scheinbar zufriedengegeben haben soll.
Nach Insiderberichten verendeten in der Zeit tagtäglich Hunderte von Hühnern. Eine Mitarbeiterin berichtete von verkoteten Ställen und alten Kadavern, die Tiere würden sich auch beißen.
Bildmaterial aus den Ställen in Edling, die dieses Jahr von der Tierschutzorganisation „Soko-Tierschutz“ aufgenommen wurde, verhärten den Verdacht, dass die Tiere unter mieserablen Bedingungen gehalten werden.
Das zuständige Landratsamt scheint davon nichts mitbekommen zu haben. Auf Anfrage von “Kontrovers” beim übergeordneten Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, teilten diese mit, man habe keine unsachgemäße oder unzureichende Beseitigung der Tierkadaver feststellen können. Die bayerischen Salmonellenausbrüche konnten auch nicht mit den Pohlmann-Betrieben in Verbindung gebracht werden. Interessanterweise hatten die ausländischen Behörden keine Schwierigkeiten, die Salmonellenspur zurückzuverfolgen und den Verursacher eindeutig ausfindig zu machen.
Als bekannt wurde, dass in Österreich ein Mann an dem Salmonellenerreger aus den Ställen der „Bayern Ei“ starb, wies das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Verantwortung zurück. Bewegung kam erst in die Sache, als ein Regensburger Staatsanwalt von einem österreichischen Journalisten davon erfuhr. Der Staatsanwalt leitete die Ermittlungen ein.
Nachdem am Mittwochabend der ganze Fall nach umfassender Recherche von der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks bekannt wurde, fordert die Landtagsopposition in München eine umfassende Aufklärung. Auf Drängen des Grünen Umweltausschuss-Vorsitzenden Christian Magerl muss das Landesamt für Lebensmittelsicherheit (LGL) in der nächsten Sitzung Rede und Antwort zum Salmonellen-Vorfall bei Bayern-Ei stehen. „Das ist ein unglaublicher Skandal“, so die verbraucherschutzpolitische Sprecherin Rosi Steinberger. „Wie kann es sein, dass Missstände so lange unentdeckt bleiben?“ Auch der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn sprach von einem unglaublichen Vorgang. Falls sich der Verdacht gegen die Firma „Bayern-Ei“ bestätigen werde, hätten die bayerischen Behörden eklatant ersagt, was nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfte.
Der Staatsanwalt muss jetzt prüfen, ob die Pohlmann-Betriebe Salmonellen-verseuchte Eier in Umlauf gebracht haben. Sollte von Seiten der Staatsanwaltschaft dies bestätigt werden, müsste der Fall hinsichtlich fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung untersucht werden.
Fachleute aus Großbritannien und Österreich konnten bereits anhand des genetischen Fingerabdrucks und der Rekonstruktion der Lieferwege den Zusammenhang der Erkrankungen und Todesfälle mit den Pohlman-Hühnerfarmen “Bayern-Ei” herstellen. Warum nicht schon längst die deutschen Behörden?
Referenzen:
- Video: Die Story: Salmonellenausbruch – Die Spur führt nach Niederbayern
süddeutsche.de, 21.05.2015: Welche Ungereimtheiten es bei der Arbeit der Behörden gibt - süddeutsche.de, 21.05.2015: staatsanwaltschaft durchsucht Eierfabrik
- Top agarar online, 23.05.2015: Salmonellen-Eier aus Bayern: Haben die Behörden weggeguckt?