In Deutschland distanzieren sich immer mehr Menschen vor dem Verzehr von Fleisch. Mittlerweile leben 9 Prozent vegetarisch oder sogar vegan.
Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) warnte vor Weihnachten vor veganer Kost bei Kindern und Jugendlichen in der „Bild“: „Veganes Essen kann zu gefährlicher Mangelernährung führen – vor allem bei Kindern. Bei ihnen kann das schwere Vitamin-B12-Mangelerscheinungen verursachen, bis hin zu erheblichen Schäden. Für Kinder und Jugendliche ist vegane Ernährung auf keinen Fall geeignet.“
Unterstützung bekommt der Minister Professor Berthold Koletzko von der Ludwig-Maximilians-Universität München: „Ein Vitamin-B12-Mangel kann die Entwicklung des Gehirns schwer schädigen. Eine vegane Ernährung kann bei Kindern zu schweren neurologischen Schäden führen, bis hin zu einer dauerhaften Behinderung.
Hier muss gesagt werden, dass in der Veganerszene die Gefahr eines B12-Mangels durchaus bekannt ist, und jede seriöse Gruppierung, die die vegane Kost propagiert, auch eine entsprechende B12-Supplementierung oder B12-Anreicherung in Nahrungsmitteln oder z.B. in Zahnpasta empfiehlt.
Außerdem sei hier angeführt, dass auch bei einem erwachsenen Veganer, der meint, er müsse kein B12 zu sich nehmen, ebenfalls ein hohes Risiko für einen B12-Mangel entsteht und die kognitive Funktion beeinträchtigt werden kann – also nicht nur bei Kindern!
Christian Vagedes, Vorsitzender der Veganen Gesellschaft Deutschland, empfiehlt eine B12-Zufuhr bei Veganern und konterte Schmidt, dass eine ausgewogene und vielfältige vegane Ernährung für alle Lebensphasen geeignet sei und den Körper mit allen nötigen Nährstoffen und mit annähernd allen Vitaminen versorge. Und das hat er nicht erfunden:
Die Academy of Nutrition and Dietetics ist der Ansicht, dass eine gut geplante vegetarische Ernährungsform, einschliesslich komplett vegetarischer oder veganer Ernährungsformen, gesund sind, ernährungsphysiologisch bedarfsgerecht sind und gesundheitliche Vorteile in der Prävention und der Behandlung bestimmter Krankheiten bieten. Eine gut geplante vegetarische Ernährungsform ist für Menschen aller Altersstufen geeignet, einschliesslich für Schwangere, Stillende, Kleinkinder, Kinder, Heranwachsende und Sportler.
Damit eine vegane Kost ausgewogen ist, muss sie sorgfältig geplant werden, es darf z.B. auch die B2-, Zink-, Calcium- und Eiweißversorgung nicht zu kurz kommen. Und es sei noch einmal betont, dass ein B12-Mangel ernst genommen werden muss – genauso wie ein Eisenmangel in der frühen Kindheit (der aber auch bei der Mischkost häufig auftritt). Beides kann zu bleibenden Hirnleistungsstörungen führen.
Es ist selbstredend, dass eine ausgewogene Makro- und Mikronährstoffversorgung bei einem Kind, das sich ja in der Entwicklung befindet, immens wichtiger ist. Es gibt genügend Literatur, um sich über eine ausgewogene vegane Ernährung sachkundig zu machen, ggf. kann man auch mal einen Ernährungsberater aufsuchen. Bei Unsicherheit unbedingt das Blut hinsichtlich Mikronährstoffe untersuchen lassen.
Ein weiteres Statement des Herrn Ministers Schmidt in der „Bild“: „Ich bin absoluter Gegner von Ernährungsverboten und Essens-Ideologien. Jeder soll essen, was ihn glücklich macht und ihm schmeckt. Wichtig ist, dass es ausgewogen ist! Ich fordere deshalb ein Schulfach Ernährung: Auch das kleine Einmaleins der Ernährung gehört ins Klassenzimmer. Denn nur wer weiß, wie Lebensmittel hergestellt werden, weiß sie auch zu schätzen.“
Wenn ein Minister dazu auffordert, alles zu essen was glücklich macht, wo bleibt denn da die globale Verantwortung für die Welt? Hat er noch nichts gehört von Klimawandel, Abholzung der Regenwälder durch den Anbau von Tierfutter, weltweite Antibiotikaresistenzen, Überfischung etc.?
Aber hier stimme ich Schmidt zu: In jedem Klassenzimmer sollte einmal den Heranwachsenden beigebracht werden, wie wichtig eine ausgewogene Makro- und Mikronährstoffversorgung des Körpers ist und in welchen Lebensmitteln die Biomoleküle enthalten sind. Es sollte aber genauso über die Gesundheitsrisiken durch den Verzehr von Fleisch und Wurst aufgeklärt werden wie über die Gesundheitsrisiken durch eine sogenannte „Pudding-Vegan-Diät“.
Die Kinder haben ein Recht darauf zu erfahren, wie Lebensmittel entstehen, damit sie selber entscheiden können, ob sie die hergebrachten Ernährungsgewohnheiten ihrer Eltern mit allen Konsequenzen für diesen Planeten auch zukünftig beibehalten möchten. Sie sollten wissen, wie viele Tonnen Pestizide, Herbizide, Fäkalien auf die Felder ausgebracht werden, wie das Keimgut verändert wird, wie Grundschleppnetze durch die Ozeane gezogen werden, Fische erdrücken und erstickt werden und natürlich auch, wie das Rind von A bis Z gelebt und gelitten hat, dessen Produkt jetzt als Schnitzel oder Hackfleisch in der Kühltheke angepriesen wird – aber bitte schonungslos und ungeschminkt. Es gibt mittlerweile bestimmt genügend Filmmaterial, das den Schulen von entsprechenden Umwelt- und Tierschutzverbänden sicherlich bereitwillig zur Verfügung gestellt wird.
Referenz:
Focus.de, 23.12.2015: Veganer-Streit vor Weihnachten: Elite-Professor warnt vor “dauerhafter Behinderung”
Es ist naturlich absolut klar, dass der vegane Speiseplan, wie auch bei jeder anderen Ernahrungsform, ausgewogen und abwechslungsreich sein sollte. Wenn ihr das auch findet oder eure Kinder gesund vegan ernahrt, teilt dies doch unserem Minister mit.